Dr. Jürgen Falkenhagen

Graf-Luckner-Straße 90

24159 Kiel

 Kiel, im Dezember 2013

An Bürgerinnen und Bürger in Schilksee

 

Planung des Baues einer Kapelle auf der sog. Kuhwiese im Landschaftsschutzgebiet von Schilksee zum Gedenken der Opfer des Flugzeugabsturzes über dem Südatlantik am l. Juni 2009

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ohne den Ortsbeirat und Schilkseer Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen, betrieb der Kieler Bürgermeister Peter Todeskino Pläne für die Errichtung einer Erinnerungskapelle im Landschaftsschutzgebiet vor der Steilküste Schilksees, die er auf einer Pressekonferenz am l l. Dezember 2013 vorstellte. Erst danach wurden die Schilkseer auf der Sitzung des Ortsbeirates am selben Tage von Herrn Todeskino über seine schon fertigen Pläne informiert. Überrascht erfuhren sie von einer langjährigen und sensiblen Planungsphase, von der sie vorher nie gehört hatten. Das schürt den Verdacht, Bürgerbeteiligung bei kritischen kommunalen Vorhaben sei entgegen politischen Beteuerungen in Kiel nicht erwünscht. Nach den Vorstellungen von Bürgermeister Todeskino soll das Bauwerk der Erinnerung an die 228 Opfer des Flugzeugabsturzes des Linienfluges von Rio de Janeiro nach Paris über dem Südatlantik am 1. Juni 2009 dienen.

 

Warum gerade in Kiel?

Keines der Opfer hat in Kiel gewohnt. Die meisten kamen aus Brasilien und Frankreich. Es sind bereits zwei Erinnerungsstätten für die ums Leben gekommenen Menschen errichtet worden: Eine an der Küste von Rio de Janeiro mit Blick aufs Meer, eine zweite in Paris. Das sind auch die richtigen Erinnerungsorte. Die jetzt überraschend für die Kuhwiese in Schilksee vorgestellten Pläne beruhen offensichtlich auf den Initiativen von Moritz Kocks Witwe. Moritz Kock, der in München wohnte, Sohn des Bildhauers Hans Kock auf Seekamp, war unter den Opfern des Flugzeugabsturzes. Er war nach Brasilien gereist, um mit dem berühmten brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer u.a. über den Bau einer Kapelle zu sprechen. Nach den Pressemitteilungen zur Vorgeschichte gab es für den von Oscar Niemeyer und Moritz Kock geplanten Sakralbau vor dem Tode von Moritz Kock offenbar weder eine Zweckbestimmung noch eine Finanzierung noch einen Standort. Naheliegend ist die Vermutung, Moitz Kock habe den Bau für Seekamp zum Gedenken an seinen Vater Hans Kock geplant. Dieser Plan könnte auch jetzt - mit erweitertem Gedenkzweck - weiter verfolgt werden.

Nach dem Tode von Moritz Kock funktionierte seine Witwe den Entwurf um, der nun den Absturzopfern gewidmet werden sollte, gewann Hinterbliebene für ihre Idee und bot den Entwurf der Stadt Kiel mit eingeworbenen Spendengeldern zur Umsetzung an - als nunmehr dritte Erinnerungsstätte mit dem geringsten Bezug zum tragischen Ereignis.

 

Was spricht gegen die Kuhwiese?

Die sog. Kuhwiese liegt im Landschaftsschutzgebiet. Sie ist von jeglicher Bebauung freizuhalten, um die enge Bebauung von Schilksee-Süd und Schilksee-Mitte auflockern und Kurort den Anspruch, zu sein, aufrecht zu erhalten. Für den Bau wird nicht nur eine Baustraße im bisher unbebauten Gelände benötigt, es müssen auch eine dauernde Kfz-Zufahrt errichtet, Leitungen verlegt, eine Wegebeleuchtung geschaffen werden. Selbst wenn man keine Parkplätze und Toiletten plant, müssen zumindest behindertengerechte Zugänge und Rampen geschaffen werden. Kühe werden dort nicht mehr weiden.

 

Kurz: Die Kuhwiese wird als Sichtschneise verschwinden, ihren Charme verlieren, zugebaut werden.

 

Die Kapelle wird ein Fremdkörper sein - nicht wegen der sicherlich bemerkenswerten Architektur, sondern wegen ihrer Nutzlosigkeit. Von den Hinterbliebenen, für die die Kapelle gedacht ist, wird sie nur einmal besucht werden: zur Einweihung. Ansonsten wird sie leer stehen, weil es keinen Nutzungsbedarf gibt. Sie wird ein teures Architektendenkmal werden. Da Herrn Todeskino ein solches „Geschenk“, bereits teilfinanziert, angeboten wurde, konnte er wohl nicht Nein sagen. Auch wenn noch rd. 200.000.- € fehlen. Dass die Infrastrukturkosten schon einkalkuliert sind, darf bezweifelt werden. Für diese Attraktion, einen echten Niemeyer in Kiel, und nur darum geht es der politischen Spitze der Stadt, gibt das arme Kiel gerne nicht nur die Kuhwiese her, deren Eigentümerin sie ist, sondern will auch noch die dauernde Unterhaltung des Baus übernehmen, während sie anderenorts noch nicht einmal zur Unterhaltung eines bescheidenen Gedenksteins zur Erinnerung an verdiente Kieler Bürger bereit ist. Dass es an den Steilküsten des Dänischen Wohlds keinen anderen adäquaten Standort gibt, ist nicht glaubhaft.

 

Wenn Kiels Rathausspitze einen Niemeyer haben und die Kosten niedrig halten will, dann Seekamp! Seekamp ist der Ort, für den das Bauwerk ursprünglich gedacht war. Auf Seekamp ist die Infrastruktur bereits vorhanden, findet ein künstlerischer Dialog zwischen Oscar Niemeyers modernem Sakralbau und Hans Kocks Skulpturen statt, lädt der Park ein zu Kontemplation und Erinnerung. Seekamp bietet Räume für Begegnung und Gespräche. Der Bau erweitert die Bedeutung von Seekamp als Ort der Kunst und Kultur um die Themen Zeit und Vergänglichkeit, wertet Seekamp in wünschenswerter weise auf. Die Kuhwiese im Landschaftsschutzgebiet vor Schilksees Steilküste muss von Bebauung frei bleiben. Sie ist kein Standort für eine Erinnerungskapeile.

Wenn Sie meine Meinung teilen, nutzen Sie bitte die Unterschriftenliste, kommen Sie zur Ortsbeiratssitzung im Januar 2014 und sagen Sie Ihre Meinung!

 

Dr. Jürgen Falkenhagen